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Hinter einer plötzlichen Wegbiegung, wo die Tannen wieder
dichter an den Weg heranrückten, saßen plötzlich zwei
zerlumpte Kinder.
Offenbar Junge und Mädchen, heruntergekommene,
zerlumpte kleine Herumtreiber mit riesigen dunklen Augen und
hohlen Wangen. Sie saßen trotz des Schnees auf dem Zaun und
eilten nun herbei, die Augen ein einziges Meer des Leids, die
knochigen Hände ausgestreckt.
»Etwas zu essen!« riefen sie. »Gebt uns etwas zu essen!«
Der Graue, Siptah, stieg auf die Hinterhand und ließ die Vor-
derhufe wirbeln; Morgaine zog ihn zur Seite und verfehlte den
Jungen dabei nur knapp. Sie hatte Mühe, das Tier zu zügeln,
das mit geblähten Nüstern und aufgerissenen Augen
zurückwich, bis es mit der Hinterhand gegen die Mauer auf der
anderen Seite stieß. Vanye bezwang seinen Mai mit harter
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Hand und verwünschte die rücksichtslosen Kinder. Bettelnde
Kinder waren in Koris nicht ungewöhnlich. Meistens stahlen
sie schamlos.
Von Rijan in die Welt gesetzt, dachte Vanye zuweilen, daß
Bankerte von Lords oft andere Schicksale erlitten als er vor
seinem Exil. Arme gab es zuhauf in den Bergen von Andur,
klanlos und notleidend, und die vaterlosen Kinder armer
Mädchen fanden in der Regel ein schlimmes Ende. Wenn sie
die Kindheit überstanden, wuchsen sie zu gefährlichen
Banditen heran.
Das Mädchen würde vielleicht noch weitere Geschöpfe ihrer
Art in die Welt setzen Elend, das neues Elend gebar.
Die beiden konnten kaum älter als zwölf sein und schienen
Bruder und Schwester zu sein vielleicht sogar Zwillinge. Sie
hatten denselben Wolfsblick, dieselbe spitze Hagerkeit in den
Gesichtern, als sie nun vor den gefährlichen Hufen
zurückwichen.
»Etwas zu essen!« flehten sie und streckten die Hände aus.
»Wir haben genug übrig«, Vanye richtete seine Worte an
Morgaine, eine Bitte, denn die Satteltaschen waren noch
schwer von dem gefrorenen Wildbret der letzten Tage. Er hatte
Mitleid mit solchen Kindern, so abstoßend sie auch waren, er
gab ihnen stets etwas, wenn er konnte dabei dachte er an sein
eigenes Schicksal und hoffte auf ein wenig Glück aus seinem
Handeln.
Als Morgaine mit einem Kopfnicken zustimmte, beugte er
sich vor, hob die Satteltasche von Siptahs grauem Rücken und
machte Anstalten, sie zu öffnen, als das kleine Mädchen dicht
an Mai herantrat, die Sattelrolle hinter ihm wegriß und dabei
einen der Haltegurte durchschnitt.
Er fluchte laut, machte aber nicht den Fehler, den Nahrungs-
packen fallen zu lassen und dem Mädchen nachzujagen,
solange der Junge noch im Hintergrund lauerte; vielmehr warf
er das Lederbündel Morgaine zu und hob ein Bein über das
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Sattelhorn. Nun floh der Junge ebenfalls, indem er über die
Mauer sprang. Vanye folgte ihm dichtauf.
»Sieh dich vor!« rief Morgaine.
Aber die fliehenden Kinder ließen seine Besitztümer fallen.
Er gab sich damit zufrieden, bückte sich, um die Sachen
aufzuheben, und mußte zu seinem Ärger feststellen, daß die
beiden sofort umkehrten und ihn nach der Art frecher Kinder
verspotteten und umtanzten.
Er griff zu, als sich der Junge zu nahe heranwagte, und
wollte nichts anderes, als ihm eine Ohrfeige zu versetzen und
ein wenig Vernunft in ihn hineinzuschüttein; der Junge drehte
sich in seinen Händen und fluchte ausgiebig. Das Mädchen
stieß einen Schrei aus, stürzte sich auf ihn und krallte nach der
Hand, die den Jungen hielt sie schwang einen kleinen Dolch.
Die Klinge ging tief, so tief, daß er die Hand zurückriß.
Beide schrien auf und liefen davon, ihm die Beute lassend,
verschwanden zwischen den Bäumen. Er fluchte noch immer
leise vor sich hin, während er zu Morgaine zurückkehrte und
dabei an der schmerzhaften Wunde saugte, die die kleine Katze
ihm verpaßt hatte.
»Kinder von Schurken!« knurrte er. »Diebe! Elende
Briganten!« Er hatte vor seinem liyo, seiner Lord-Lady, an
Gesicht verloren. Mürrisch schwang er sich in Mais Sattel,
nachdem er sein Eigentum wieder hinter dem Sitz befestigt
hatte. Bis jetzt war er der Meinung gewesen, er sei mißbraucht
und unter seinem Wert behandelt worden; Morgaine sei seines
Dienstes nicht wert und daher im Unrecht. Zum erstenmal nun
hatte er das Gefühl, seiner Verpflichtung nicht gerecht
geworden zu sein, und das stürzte ihn doppelt in die Schuld
er hatte sich selbst und seinen liyo entehrt.
Und dann begann er sich seltsam zu fühlen, wie ein Mann,
der zuviel Wein getrunken hatte. In seinem Kopf begann es zu
summen, sein ganzes Wesen trennte sich plötzlich auf seltsame
Weise von der Umwelt.
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Besorgt blickte er Morgaine an; es widerstrebte ihm, um
Hilfe zu bitten, doch plötzlich spürte er, daß er sie dringend
brauchte.
Er konnte nicht verstehen, was mit seinen Sinnen nicht
stimmte. Er hatte das Gefühl, von einem Fieber überschwemmt
zu werden. Er schwankte im Sattel.
Morgaines schlanker Arm stützte ihn. Sie lenkte Siptah dicht
heran und hielt ihn fest. Er hörte, daß sie mit scharfer, strenger
Stimme zu ihm sprach und ihm den Befehl gab, sich
zusammenzureißen.
Er fand das Gleichgewicht und brachte endlich die Vernunft
auf, sich nach vorn sinken zu lassen, gegen Mais kräftigen
Hals. Das Sattelhorn drückte; die vorgebeugte Stellung schnitt
ihm den Atem ab. Aber er konnte nichts dagegen tun, so
schlaff fühlten sich seine Arme an.
Morgaine war abgestiegen. Sie hielt seine verletzte Hand.
Ganz entfernt spürte er einen Schmerz darin, spürte ihren
warmen Mund. Sie behandelte die Wunde wie einen
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