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das ganze Genre der Kurzgedichte revolutionierte. Einige der
beeindruckendsten hatte sich Christopher gemerkt. Einer davon
lautete:
Auf dürrem Zweige
eine Krähe niedergesetzt.
Abenddämmerung.
Er nahm die Krähenfigur aus der Nische und stellte sie auf den
kleinen Tisch in der Mitte des Raums, so dass beide Basho-Figuren
auf sie blickten. Nach einigen Sekunden bangen Wartens vernahm
er ein Klacken, und einer der Aktenschränke rechts vor ihm sprang
auf. Dahinter führte eine Steintreppe abwärts. Diesiges Licht färbte
die grob aus dem Fels gehauenen Wände braungrün. Christopher
folgte den Stufen bis in einen großen, kreisrunden Raum, dessen
Decke kuppelförmig über den Reihen metallener Aktenschränke
thronte.
Er vermochte sich nicht daran zu erinnern, wann er das letzte Mal
so viel bedrucktes Papier an einem Ort gesehen hatte. Vermutlich
in den Archiven des New York Times Museums.
Er überflog die Beschriftungen der Ordner in den insgesamt sechs
Regalreihen bis er an einen Schrank mit verschiedensten Pro-
tokollordnern kam. Christopher sah jene mit der Aufschrift "Gremi-
um" einen nach dem anderen durch und hatte Glück. Bereits der
dritte Ordner offenbarte die Protokolle der letzten Monate. Er
schlug einige Seiten um und erstarrte. Vor ihm lag Kiyans Pro-
tokoll, auf den ersten Blick exakt identisch mit der Kopie, die ihm
der Informant im Utamakura überreicht hatte. Zur Sicherheit las er
es vollständig durch und holte gerade sein PersonalDevice für eine
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weitere Photokopie hervor, als er von oben Stimmen hörte. Er ran-
nte zur Treppe, um sich unter ihr zu verstecken. Zwei Männer stie-
gen die Treppen hinab. Sie sahen ihn und er sah sie. Im Halbschat-
ten konnte Christopher ihr Gesichter nicht erkennen. Er blieb
stehen und griff in seinen Rucksack als der größere der beiden
Männer beschwichtigend seine Hand hob und sagte: "Aber, aber,
Mr. Harmon. Wir sind doch unter Freunden".
Kapitel 8
"Sie sind mir vielleicht ein Vogel", sagte Markus zu dem auf dem
Rücksitz sitzenden und mitgenommen aussehenden Christopher.
"Sie sind doch sonst so gesprächig. Oder möchten Sie nur nicht mit
mir sprechen?"
Christopher lehnte sich nach vorne und schaute zwischen den
Vordersitzen zu Markus.
"Ich hätte sie ja angerufen, ich wollte nur zuvor sichergehen, dass
sich mein Verdacht erhärtet", sagte Christopher.
"Sind das ihre Methoden, Mr. Harmon? Einbruch, Diebstahl,
Widerstand gegen die Ermittlungsbehörden?"
"Sie und ihre Männer haben exakt das gleiche gemacht wie ich, mit
dem einzigen Unterschied, dass sie einen richterlichen Beschluss
vorweisen können."
Markus verengte seine Augen.
"Vorsicht. Nur weil sie noch nicht in Handschellen da hinten sitzen,
bedeutet das noch lange nicht, dass ich sie nicht für eine Weile in
eine Zelle werfen kann."
"Immerhin habe ich ihnen die Informationen meiner Videoanalyse
geschickt, genau das Gleiche hätte ich morgen früh auch mit mein-
en neuen Erkenntnissen gemacht."
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Markus glaubte ihm. Ohne ihn hätte er Harutos Versteck nicht aus-
findig gemacht. Was würde er nur ohne Fünf tun.
"Glauben sie wirklich, dass ihnen das strafmildernd ausgelegt wird?
Durch ihre Nacht-und-Nebel-Aktion riskierten sie die gesamte
Ermittlung."
"Als ob sie ohne mich bislang irgendetwas erreicht hätten", sagte
Harmon. Markus musterte ihn. Er hatte eine sympathische Art, ge-
bar sich aber großspurig und selbstverliebt. Bei wichtigen
Entscheidungen zeigte er aber bislang ein geschicktes Händchen.
Ohne Harmons Vorarbeiten wäre sein Spion niemals auf Asanos
Behausung gestossen. Markus hätte nach wie vor nichts in der
Hand. Was nichts daran änderte, dass jeder eifrige Journalist bei
Markus ein mulmiges Gefühl hinterlies. Er hatte dieser Berufs-
gruppe noch nie getraut.
"Wie genau haben sie das angestellt? Wie konnten sie Harutos Ver-
steck ausfindig machen?" Sicher hatte er Informanten. Aber nach
so kurzer Anwesenheit? Wahrscheinlich besorgte diese Journalistin
von der Metropolitan ihm Zugang über Mittelsmänner, die sie oder
dieser alte Wang Dun bei den Rebellen platziert hatten. Diese ver-
dammten Schreiberlinge und ihre Verschwiegenheit, die ihn schon
so oft in Ermittlungen hatte stocken lassen. Ein Glück gab es unter
der aktuellen Regierung ausreichend Druckmittel, die ausgeprägten
Behinderungen der Presse bei Ermittlungen ein wenig zu lockern.
Christopher lehnte sich zurück und bot einen entspannten Anblick.
"Ich habe ihnen versprochen, dass ich an Informationen komme
und sie darüber in Kenntnis setze. Ich müsste mich viel eher bei
ihnen beschweren, dass sie mich von diesem Aushilfsspion haben
beschatten lassen."
Fünf, der angesprochene Beifahrer, regte sich nicht.
"Wir haben das gesamte Archiv eingepackt und mitgehen lassen.
Was finden wir dort alles?"
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Christopher erzählte ihm von einem Protokoll, das bewies, dass die
Rebellen für den Mord an Varlas verantwortlich zeichnete. Sie
passierten gerade einen wütenden Mob, der mit Fackeln durch die
Straßen zog.
"Wieso greifen sie nicht ein? Diese Gruppe verwüstet doch sicher
jayun-Geschäfte sobald wir um die Ecke sind."
"Was glauben sie denn was passiert, wenn das Protokoll veröffent-
licht wird?"
Markus sah der Gruppe im Rückspiegel nach. Hinter ihnen fuhr
einer der Gefangenentransporter, die die Früchte der nächtlichen
Razzia mit sich führten. Er ließ seinen Blick die Straßenränder
entlang schweifen. Immer wieder tauchten umherwandernde Män-
ner auf, meist Rothulaner, vereinzelt aber auch Revolutionäre oder
grünegkleidete Anhänger von Geeintes Cubuyata.
"Wir stehen kurz vor einem Bürgerkrieg, nur weil diese verdam-
mten Rebellen um jeden Preis an die Macht drängen."
Christopher sah ihn für einen kurzen Moment irritiert an.
"Ich frage mich viel eher, ob ein Bürgerkrieg nicht ohnehin un-
umgänglich ist."
Wütend fuhr Markus zu ihm herum. Der Beifahrer bewegte sich das
erste Mal und griff nach dem führerlosen Lenkrad. Da kam einer
von der verseuchten, alten Erde und versuchte verzweifelt alles in
Frage zu stellen, was Markus über die vergangenen zwanzig Jahre
mit aufgebaut hatte. Ohne diese verdammten Terroristen gäbe es
kein Problem.
"Wenn sie mir nicht augenblicklich alles erzählen was sie wissen,
werfe ich sie in das letzte Eck unseres Gefängnisses und den Schlüs-
sel in einen Rothulanermob."
Markus hörte gespannt den Ausführungen zu, die ganz offensicht-
lich für ihn vollständig klingen sollten. Christopher erzählte, dass
ihn ein Informant angesprochen habe, der ihm die Protokolle gab
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und anschließend ein Treffen mit Haruto organisierte. Seine Bes-
chreibungen brachten ihn nicht weiter und Markus war sich sicher,
dass er ihm nicht die ganze Wahrheit präsentierte, lies es aber fürs
erste auf sich beruhen. Er würde ohnehin an alle für ihn relevanten
Informationen kommen, dessen war er sich sicher.
Eine viertel Stunde später hielten sie auf dem Parkplatz der Pol-
izeizentrale in Cubuyata City. Kaum dass sie ausgestiegen waren,
begrüßte sie der kleine und weißhaarige Polizeipräsident Xi
Yongkang.
"Wunderbare Arbeit, meine Herren. Jackson, das gleicht ihren Sch-
nitzer bei der Messe fast wieder aus. Wo haben wir denn die bösen
Jungs? Ah, ich sehe schon."
Drei Mannschaftstransporte parkten neben Markus Wagen, die
Fahrer öffneten die Ladetüren und führte den bei der Razzia an-
wesenden Teil des Terroristenführungszirkels vor den Pol-
izeipräsidenten. Dieser schritt zu dem aufrecht und würdevoll
stehenden Haruto und näherte sich seinem Gesicht bis auf wenige
Zentimeter.
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